Wie entsteht „Trauma“?

In meiner Wahrnehmung entsteht Trauma nicht durch das, was oder wie wir es erleben. Es entsteht durch den Umgang damit im Anschluss daran.

Es ist nicht der Unfall, den  Du hattest, oder der Tod eines geliebten, nahe stehenden Menschen (Schock-Trauma). Erst wenn Du danach nicht abgefangen wirst und keine Sicherheit spüren kannst, sodass eine emotionale und körperliche Möglichkeit zum Verarbeiten und Loslassen gegeben ist, dann entsteht ein Trauma.

Wir brauchen die volle Bandbreite der Gefühle um das Erlebte zu verarbeiten. Vielleicht kennst Du den Begriff „fight & flight“. Kampf & Flucht ist eine evolutionäre, überlebenswichtige  Funktion unseres Körpers (vom Stammhirn gesteuert). Zuerst sucht der Körper nach einer Möglichkeit zu kämpfen (Gefühl Wut, eine Vorwärts-Bewegung), um zu überleben. Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, schaltet unser „Überlebens-System“ in Bruchteilen von Sekunden auf Flucht um (Gefühl Angst, eine Rückwärts-Bewegung). Ist auch dazu keine Möglichkeit gegeben, kommt die 3. Möglichkeit ins Spiel: der Totstell-Reflex. Es entsteht eine körperliche Reaktionskette aus Bewegungsunfähigkeit (Lähmung), verlangsamter Atmung, verlangsamter Herzschlag, Absinken der Körpertemperatur.

Alle 3 Möglichkeiten dienen dem reinen Überleben in absoluten Gefahren-Situationen und haben im Alltag nichts verloren. Bekommt jedoch unser Stammhirn nicht ein ausdrückliches Signal: „Gefahr ist vorbei!“, bleiben Teile dieser Reaktionen auf Dauer erhalten. Als Trauma-Folge-Störung, die lebensverändernde und nachhaltige Folgen haben können.

Eine wundervolle Darstellung einer solchen Situation ist das Drei-Minuten-Video: „Still-Face-Experiment“ von Dr. Edward Tronick

Hier ein direkter Link dazu

https://youtu.be/apzXGEbZht0

Es ist deutlich zu erkennen, dass das Baby nach wenigen Sekunden wahrnimmt, das etwas nicht stimmt und die 1. Reaktion (Kampf/Wut) ein „auf -sich-aufmerksam-machen“  erfolgt direkt. Da die Mutter nicht reagiert, kommt im Anschluss die 2. Reaktion (Flucht/Angst). Das Baby stellt fest, das es nicht aus der Situation fliehen kann. 3. Reaktion ist der Totstellreflex, des Körper sinkt in sich zusammen und erschlafft. Da hier die Mutter dann sofort auf das Baby eingeht und interagiert, wird das Kind abgefangen. Es fühlt die Sicherheit und alle Funktionen normalisieren sich wieder.

Geht in einem solchen Fall die Mutter nicht auf die Bedürfnisse des Kindes ein, entsteht ein Trauma. Ist die Mutter selbst unsicher, ängstlich oder kann keine echte, soziale Bindung mit dem Kind eingehen, entsteht daraus ein Bindungstrauma. Da dies oft über Jahre hinweg der Fall ist, ergibt sich häufig ein Entwicklungstrauma. Das Kind ist in seiner sozialen Entwicklung gestört.